Nicola Böcker-Giannini und Martin Hikel (beide SPD), Bezirksbürgermeister von Berlin Neukölln, sitzen am 22.04.2024 während einer Pressekonferenz zur Lage nach dem Berliner SPD-Mitgliederentscheid nebeneinander. (Quelle: dpa-Bildfunk/Sebastian Gollnow)

Berlin Bewerberduos um SPD-Spitze stellen sich nochmals vor: "Umarmung und Attacke"

Stand: 08.05.2024 09:06 Uhr

Nicola Böcker-Giannini und Martin Hikel gehen als Favoriten in die Stichwahl um den SPD-Landesvorsitz. Kian Niroomand und Jana Bertels müssen als zweites Bewerber-Duo Boden gut machen. Viele SPD-Mitglieder sind aber schon entschieden. Von Jan Menzel

  • Bewerberduos Böcker-Giannini/Hikel und Niroomand/Bertels haben sich nochmal den Mitgliedern vorgestellt
  • Inhaltlich liegen beide Lager vor allem beim Verhältnis zum Koalitionspartner CDU auseinander
  • Kaum Unterschiede bei den Themen Verwaltungsreform und Bauen
  • Am 18. Mai wird Ergebnis der Stichwahl bekanntgegeben, ein Drittel hat schon abgestimmt

Die Rollen auf dem Mitgliederforum im Willy-Brandt-Haus sind zumindest bei den Eingangsstatements klar verteilt. "Vielen Dank für euer Vertrauen", sagt Nicola Böcker-Giannini wie eine Fast-Schon-Gewinnerin. Die ehemalige Sport-Staatssekretärin kandidiert gemeinsam mit Neuköllns Bezirksbürgermeisters Martin Hikel für den SPD-Landesvorsitz.

Beide haben in der ersten Runde der Mitgliederbefragung an der absoluten Mehrheit gekratzt und das spürt man. Hikels zentraler Appell an diesem Abend ist: Man möge doch bitteschön die Kandierenden nicht nach "rechts" und "links" unterscheiden und auf Labels und politische Etiketten zu verzichten. "Wir sind alle Sozialdemokratinnen und Sozialdemokarten."

Für die beiden in der ersten Abstimmungsrunde Zweitplatzierten Jana Bertels und Kian Niroomand ist die Ausgangslage eine andere. Sie müssen mobilisieren, Unterschiede deutlicher machen und angreifen, um das Blatt zu wenden."Ganz klar, die Berliner SPD steht vor einer Richtungsentscheidung", eröffnet Jana Bertels ihre Rederunde. Und ihr Co-Kandidat Niroomand bezeichnet es als gut, dass die Genossinen und Genossen die "klare Wahl" zwischen unterschiedlichen politischen Ausrichtungen hätten.

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An der CDU scheiden sich die Geister

Dazu muss man wissen, dass Niroomand und Bertels sich selbst eindeutig im linken Spektrum der Berliner SPD verorten. Niroomand als SPD-Kreischef von Charlottenburg gehörte zu denen, die der Partei nach der Schlappe bei der Wiederholungswahl vor einem Jahr den Gang in die Opposition empfohlen hatten. Daran knüpft er an, wenn er den beiden Mitbewerbern vorhält, "vehement" für die Koalition mit der CDU geworben zu haben.

Das sei der "größte strategische Fehler" gewesen, der zum Absturz der SPD in den Umfragen auf aktuell nur noch 15 Prozent geführt habe. Die SPD dürfe sich nicht dauerhaft zum "Steigbügelhalter der CDU machen", warnt Niroomand und schickt eine Spitze in Richtung Hikel und Böcker-Giannnini hinterher: "Martin und Nicola stehen für diese Koalition der Selbstverzwergung." Er und Bertels hingegen nicht.

Böcker-Giannini hatte diese Kritik schon geahnt – schließlich haben die beiden Bewerberduos nun schon mehrere gemeinsame Auftritte auf diversen Mitgliederforen hinter sich. Wenn jemand ihr den Steigbügel halte, dann sei das ihr Partner, der 2-Meter-Mann Hikel, und sonst niemand. Sie wolle eine SPD, die so stark sei, dass niemand an ihr vorbeikomme.

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Funke will nicht auf spärlich besuchtes Willy-Brandt-Haus überspringen

Ein bisschen aus der Zeit gefallen klingt es allerdings, als Böcker-Giannini den "Traum" der absoluten Mehrheit hervorzaubert und das "Modell Saarland" lobt - das letzte Bundesland, in dem die SPD mit absoluter Mehrheit allein regiert. Die SPD dürfe sich nicht als "Nischenpartei" einrichten, im Falle ihrer Wahl als Landesvorsitzende würden sie und Hikel ihre Politik an den "Alltagsrealitäten der Menschen" ausrichten, verspricht Böcker-Giannini.

Bertels und Niroomand sehen sich dagegen auch an diesem Abend als Verteidiger "zentraler Errungenschaften" der SPD wie der gebührenfreien Bildung in Kita und Hort. Hier etwas zu ändern, Bildung vom Geldbeutel der Eltern abhängig zu machen – so wie es das andere Bewerberduo andenke, das sei nicht ihre Politik. Und dann macht Niroomand noch einen Punkt, der in der Arbeiterpartei SPD stets gut ankommt: "Wir wollen Berlin von der Hauptstadt der prekären Beschäftigung zur Hauptstadt der guten Arbeit machen."

Doch so richtig überspringen will der Funke auf diesem letzten Präsenz-Mitgliederforum nicht. Das mag daran liegen, dass das Willy-Brandt-Haus mit vielleicht einhundert Anwesenden nicht einmal halbvoll besetzt sind. Es kann aber auch sein, dass sich die Duos bei vielen Themen den Mühen der Ebene aussetzen müssen.

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Einigkeit beim Thema Tempelhofer Feld

Beim Berliner Dauerbrenner Verwaltungsreform spricht sich Niroomand für einen doppelten Ansatz aus. Kurzfristig müsse man die Terminprobleme in den Bürgerämtern in den Griff bekommen. Langfristig brauche es ein Leitbild "wo die SPD mit der Verwaltung hin will". Neuköllns Bürgermeister Hikel greift diese "langen Linien von Kian" auf und verlangt, dass die Blockade zwischen Senatsverwaltungen und Bezirken endlich aufgelöst werden muss.

Auch in der Wohnungs- und Baupolitik sind es weniger die großen, plakativen Unterschiede, die hervortreten. Wenn Nicola Böcker-Giannini erklärt: "Wir stehen für die Randbebauung des Tempelhofer Felds", dann tut sie das auch mit einem Plädoyer für sozialen Wohnungsbau. Und sie betont, dass dafür ein neuer Volksentscheid notwendig wäre.

Jana Bertels wiederum macht deutlich, dass sie früher eher eine Verfechterin des freien Feldes war, nun aber einer Randbebauung keine Absage erteilt. "Ich kann schon verstehen, dass es sehr gute Gründe gibt, das in Erwägung zu ziehen." Freiflächen für Erholung und Sport müssten unbedingt gesichert werden müssten.

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Ein Drittel der Parteimitglieder hat sich schon entschieden

Kurz vor Schluss wird es aber noch mal kurz hitzig, als Parteimitglieder Jana Bertels vorhalten, sie sei nicht offen mit ihrer vorigen Mitgliedschaft zu Jugendzeiten in der CDU in Krefeld umgegangen. Sie habe daraus nie ein Geheimnis macht, in ihrem Kreisverband sei das auch bekannt, erwidert Bertels. Jeder und jede hätte sie anrufen können. Im übrigen wünsche sie sich, dass man sich "nicht gegenseitig abspreche, Genossin zu sein". Kian Niroomand nimmt den Anwürfen die Spitze, indem er mahnt, nicht mit dem Finger auf andere zu zeigen. "Wenn wir so weiter machen, wird das nix."

Ganz zum Schluss setzt Nicola-Böcker-Giannini noch einmal zur politischen Umarmung an und erneuert ein Angebot zur Zusammenarbeit, das sie und Hikel den beiden Mitbewerbern Bertels und Niroomand schon einmal gemacht hat. "Unser Angebot steht auch", gibt Niroomand zurück.

Die beiden Duos werden in der kommenden Woche noch ein letztes Online-Forum gemeinsam absolvieren. Allerdings haben viele Parteimitglieder ihre Wahl schon getroffen. 5.800, also fast ein Drittel aller Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in Berlin, haben ihre Stimme abgegeben. Bis zum 17. Mai ist das noch online oder per Brief möglich. Am 18. Mai wird ausgezählt und dann ist klar, wer wem welche Angebote machen kann.

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