Hauptmann Fabian von Skrbensky hält einen Vortrag an einer Schule

Bayern Jugendoffiziere der Bundeswehr: Vorträge gefragt

Stand: 08.05.2024 08:21 Uhr

Das Interesse an Vorträgen von Jugendoffizieren der Bundeswehr steigt. Im vergangenen Jahr haben sie vor deutlich mehr Schülerinnen und Schülern im Freistaat gesprochen. Doch die Bundeswehr im Klassenzimmer ist nicht unumstritten.

Von Kilian Neuwert

Kurz nach halb zehn am Morgen an der Realschule im Dreiländereck in Lindau. Schülerinnen und Schüler der zehnten Jahrgangsstufe drängen durch eine Tür, nehmen Platz auf bunten Plastikstühlen. Dann wird es beinahe schlagartig still im Raum.

Hauptmann Fabian von Skrbensky begrüßt die Schülerinnen und Schülern mit einem unüberhörbaren "schönen guten Morgen". Der Jugendoffizier der Bundeswehr steht im Dienstanzug vor ihnen: graue Jacke mit Abzeichen, hellblaues Hemd, Krawatte.

Einsatzmedaillen verraten, dass von Skrbensky nicht immer vor Schülern gesprochen hat. Hinter ihm liegt eine Laufbahn in der Kampftruppe. Er war Panzeroffizier, brachte es bis zum Kompaniechef. Unter ihm dienten 85 Männer und Frauen. Sein "letztes Dienstfahrzeug" war der Leopard II. Von Skrbensky zeigt Bilder des Kampfpanzers. Ob die Eindruck machen, ist schwer zu sagen. Sein Publikum sitzt teils in Kapuzenpullis, Jeans und Sneakern vor ihm. Viele strecken die Beine von sich, verschränken die Arme.

Sicherheitspolitik im Fokus

Um seine Karriere soll es an diesem Vormittag aber höchstens am Rande gehen. Die Zeit in der Kampftruppe liegt hinter Fabian von Skrbensky. An die Realschule ist er für einen Grundlagenvortrag gekommen. Rund 90 Minuten lang spricht er über deutsche Außen- und Sicherheitspolitik. Er thematisiert die Aufgaben der Vereinten Nationen und der NATO, die Einbettung der Bundesrepublik in die internationale Sicherheitsarchitektur. Der Vortrag orientiert sich an den Grundlagendokumenten zur deutschen Sicherheitspolitik. Auf der Agenda stehen deshalb auch Gefahren und Bedrohungen wie internationaler Terrorismus, Waffenhandel, Klimawandel, Seuchen oder Hackerangriffe.

Steigende Nachfrage: "Kalender brennt"

Die Vorträge des Jugendoffiziers sind immer gefragter. Der Termin Anfang Mai ist der 88. in diesem Jahr. Vor der Coronapandemie, berichtet von Skrbensky, habe das Auftrags-Soll gut einhundert Termine pro Jahr betragen. "Der Kalender brennt", sagt er, der als einer von zwölf Jugendoffizieren im Freistaat für Schwaben zuständig ist. Von Augsburg aus reist er zu Vorträgen oder Veranstaltungen im ganzen Regierungsbezirk.

Bundesweit gibt es rund 90 speziell ausgebildete Jugendoffiziere. Auf Einladung halten Sie Vorträge an Schulen oder sprechen vor Vereinen. Möglich sind Schulbesuche ab der neunten Klasse. Die Themen wählen die Lehrerinnen und Lehrer aus.

Wird die Wehrpflicht wieder eingesetzt? Wird es einen Dritten Weltkrieg geben?

Der Trend, den von Skrbensky beschreibt, bestätigt sich bundes- und bayernweit. Nahmen im Freistaat vor der Coronapandemie zuletzt noch rund 26.000 Schülerinnen und Schülern an rund 800 Vorträgen der Jugendoffiziere teil, waren es im vergangenen Jahr schon etwa 31.100 Schülerinnen und Schüler, die rund 930 Schulveranstaltungen beiwohnten. Für dieses Jahr erwartet die Bundeswehr einem Sprecher zufolge weiter steigendes Interesse.

Als Gründe gelten sowohl der russische Großangriff auf die Ukraine als auch der Krieg im Nahen Osten. Dieser hat die Vortrags-Nachfrage angeheizt, berichtet auch von Skrbensky. Lehrer berichteten über "gravierendes Unwissen", etwa im Hinblick auf antisemitische Vorurteile. Er sei froh, "einen Beitrag im Kampf gegen Rassismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit leisten zu können", indem er aufkläre.

Die Fragen der Schülerinnen und Schüler seien zwar oft stark abhängig vom Vortragsthema, berichtet der Jugendoffizier, seit 2022 häuften sich aber jene nach der Wiedereinsetzung der Wehrpflicht oder der Wahrscheinlichkeit eines Dritten Weltkrieges.

Die Lindauer Realschullehrerin Heike Keckeisen, die von Skrbensky an ihre Schule eingeladen hat, sieht in dessen Vortrag eine gute Ergänzung für den Unterricht. Den Nerv einiger ihrer Schüler trifft die Lehrerin damit. Auch wenn an diesem Tag nur wenige Jugendliche Fragen stellen, ist die Resonanz meist positiv. "Spannend" sei es gewesen, schildert einer. Der nächste berichtet, sein Blick auf Kriege und die Politik habe sich durch den Vortrag geweitet.

Pädagogen-Gewerkschaft gegen Vorträge

Für Hauptmann von Skrbensky gilt dabei der Grundsatz: informieren statt rekrutieren. Denn Nachwuchsgewinnung oder -werbung zählt nicht zu seinen Aufgaben. Die obliegt Karriereberatern. Dennoch tritt mit ihm automatisch eine Art Botschafter der Bundeswehr ins Klassenzimmer. Vom "Bindeglied" hatte einst die ehemalige CDU-Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer gesprochen.

Der Pädagogen-Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft gehen Besuche der Jugendoffiziere seit vielen Jahren zu weit. Militärs an Schulen sind und bleiben für die GEW ein Unding. Politische Bildung solle Lehrkräften vorbehalten sein, lautet ihre Position. Friedensinitiativen sollten die gleichen Möglichkeiten eingeräumt werden wie der Bundeswehr.

Staatsregierung will Bundeswehr in Bayern fördern

In der Gesetzesinitiative der Bayerischen Staatsregierung zur Förderung der Bundeswehr in Bayern werden Jugendoffiziere ausdrücklich erwähnt. Ob sich dadurch in der Praxis etwas ändert, wenn das Gesetz so kommen sollte, ist aber offen.

Im entsprechend zu ändernden Paragrafen heißt es: "Die Schulen arbeiten mit den Jugendoffizieren der Bundeswehr im Rahmen der politischen Bildung zusammen. Die Karriereberater der Bundeswehr und Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben dürfen im Rahmen schulischer Veranstaltungen zur beruflichen Orientierung über Berufs- und Einsatzmöglichkeiten in ihrem Bereich informieren."

Schon jetzt können aber Jugendoffiziere eingeladen werden. Das gilt auch für Karriereberater, die häufig auf Berufsorientierungsmessen oder ähnlichen Veranstaltungen zu Gast sind, um dort für die Bundeswehr als Arbeitgeber zu werben und über berufliche Möglichkeiten bei der Truppe zu sprechen.

Lehrerverband: Trennung zwischen Bildung und Berufsangeboten wichtig

Vor diesem Hintergrund betont die Präsidentin des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbandes (BLLV), Simone Fleischmann, die Schulen vor Ort würden sich gut überlegen, was sie im Hinblick auf politische Bildungs- und Berufsorientierungsangebote umsetzen. Im Gespräch mit dem BR bekräftigte Fleischmann, Pädagogen müssten weiter selbst entscheiden können, welches Informationsangebot am besten zu welcher Klasse passe. Wichtig ist in ihren Augen eine klare Trennung zwischen politischer Bildung und Berufsorientierungsangeboten.

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Quelle: BR24 im Radio 08.05.2024 - 08:00 Uhr