Ein beschmiertes Wahlplakat der SPD-Politikerin Iris Hofmann

Bayern Angriffe auf Politiker: Wie es Wahlkämpfern vor Ort ergeht

Stand: 08.05.2024 08:22 Uhr

Gewalt gegen Politikerinnen und Politiker ist nicht neu. Aktuelle Zahlen belegen jedoch, dass die Attacken zunehmen. Das bekommen auch Wahlkämpfer vor Ort zu spüren.

Von Eileen Kelpe

Während die beiden SPD-Politikerinnen Susanne Riedl und Iris Hofmann aus dem Ortsverband Deggendorf ein Wahlplakat für die Europawahl aufhängen, gehen ein paar Jugendliche vorbei und pöbeln ein wenig. "Also ich muss sagen, ich habe gezuckt, als die auf einmal da hinten so geschrien haben. Man merkt, dass man nervöser ist", sagt Riedl. Auch Hofmann hat ein mulmiges Gefühl: "Also es ist nicht so, dass wir das nicht kennen, dass wir angepöbelt werden. Aber es ist definitiv ein neuer Härtegrad."

Beide spüren: Der allgemeine Ton gegenüber Politikerinnen und Politikern ist rauer geworden – auch gegen sie, die ehrenamtlich unterwegs sind. Besonders nach dem Angriff auf den Dresdner SPD-Politiker Ecke gehen sie mit keinem guten Gefühl auf die Straße und vor allem nicht allein. "Man denkt sich, wenn die Wut schon so gegen die Plakate geht – wie weit ist es dann noch, dass die Wut einem ins Gesicht schlägt?", sagt Riedl.

Gewalt gegen Politiker hat sich verdoppelt

Die Gewalt nimmt vielerorts in Bayern zu: In Augsburg wurden Autoreifen von Mitarbeitenden des FDP-Wahlkreisbüros zerstochen. Die Grünen aus dem Kreisverband Ostallgäu berichten, dass Wahlhelfer an den Ständen bedrängt wurden. Doch Angriffe gegen Politikerinnen und Politiker sind in Deutschland keine Einzelfälle mehr. Die Zahl von physischen und verbalen Angriffen hat sich von 2019 bis 2023 bundesweit fast verdoppelt: Das belegen die Zahlen, die die Bundesregierung als Antwort auf eine Anfrage der AfD-Fraktion veröffentlicht hat (2019: 1.420; 2023: 2.790). Aktuelle Zahlen von gemeldeten Fällen aus diesem Jahr gibt es noch nicht, doch der Trend zeigt, dass Übergriffe auf Parteienvertreter deutlich zunehmen – besonders auf die Grünen.

Mehr als 1.200 Attacken, vor allem verbal, soll es 2023 gegen die Grünen gegeben haben. Bei der AfD waren es rund 480 Fälle und bei der SPD 420. Während zu Anfang der Wahlperiode in erster Linie die AfD angegriffen wurde, änderte sich das seit etwa 2022 und die Grünen gerieten mehr in den Fokus von Angriffen. Für die Basis vor Ort gibt es aber keinen Polizeischutz und Anzeigen gegen Unbekannt bei kleinen Attacken und Vandalismus werden oft nach einiger Zeit fallengelassen. Laut Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) ist Polizeischutz für Wahlkämpfer auch künftig nicht vorgesehen: "Es ist völlig unmöglich, dass Wahlkämpfer, die nachts Plakate aufhängen, in ganz Bayern von der Polizei begleitet wurde. Das ist Gott sei Dank auch nicht notwendig."

Wahlkampf in Kempten: AfD kämpft mit Anfeindungen

Die AfD-Politiker Andreas Mayer und Peter Felser sind in Kempten unterwegs. Auch sie hängen Plakate auf – tagsüber und zu zweit. Angriffe an Wahlständen, Hassmails, Vandalismus, Pöbeleien sind auch für die AfD nichts Neues. "Ich bin ja Bundestagsabgeordneter und mein Briefkasten ist immer wieder voll mit Warnungen und Drohungen", sagt Felser. Auch physische Übergriffe hat er bei Kollegen erlebt: "Einmal gab es einen körperlichen Übergriff, nicht auf mich, sondern auf zwei Kollegen. Die haben das aber zur Anzeige gebracht, aber da kam nichts raus." Andreas Mayer kandidiert für die Europawahl und ärgert sich über die Anfeindungen: "Es sollte eigentlich selbstverständlich sein, dass jeder einfach seine Meinung kundtun kann und mit seinem Programm darstellen kann. Und dann liegt es meines Erachtens beim Wähler, wie er sich entscheidet."

Trotz Angriffen: Wahlkämpfer machen weiter

Für die SPD-Politikerinnen Riedl und Hofmann aus Deggendorf kommt die Gefahr deutlich von der politisch Rechten, die immer gesellschaftsfähiger werde und den politischen Diskurs verrohen lasse. Die AfDler Felser und Mayer halten dagegen: Gewalt sei in ihrer Partei ein No-Go, aber eine zugespitzte Sprache in bestimmten Fällen sinnvoll, um gehört zu werden. "Wer Gewalt braucht, der hat die schlechteren Argumente", sagt Mayer. Aufhören ist für die Ehrenamtlichen vor Ort keine Option. Auch die SPD-Kreisvorsitzende Susanne Riedl in Deggendorf macht weiter, trotz des starken Gegenwinds: "Wer, wenn nicht wir? Wir müssen dagegen halten. Und ich bin schon der Meinung, dass die Mehrheit der Menschen gegen Gewalt ist", so Riedl.

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Quelle: BR24 07.05.2024 - 18:30 Uhr